Es ist ein geradezu biblisches Alter, das der bekennende Kommunist Oscar Niemeyer erreichte. Gestern verstarb im Alter von 104 Jahren der „Letzte Gigant der architektonischen Moderne“, wie die Süddeutsche Zeitung in einem Nachruf titelt.
Oscar Niemeyer baute modern, der bevorzugte Baustoff war Beton, aus dem sich seine fließenden, sinnlichen Formen besonders gut gestalten ließen. Etwa 600 Bauwerke weltweit hat er in seinem langen Leben geschaffen, und mit vielen davon hat er sein Heimatland Brasilien geprägt. Denn welcher Architekt hat schon die Gelegenheit, eine neue Stadt – noch dazu die zukünftige Hauptstadt – zu planen und viele Gebäude dann auch tatsächlich zu realisieren.
Übersetzung einer Monographie
Mich persönlich verbindet mit Oscar Niemeyer die Übersetzung eines Buches, das die institutionellen Bauten des Architekten vorstellt und sie architekturgeschichtlich einordnet. Zeitlich spannt es einen Bogen von 1936 bis zum Jahr 2002. Es zeigt die großen gestalterischen Gesten eines Meisters, der in der Lage war, eine ganze Stadt zu erdenken, und es präsentiert die Innenräume dazu, die eine große Kraft ausstrahlen.
„Mir gefallen keine rechten Winkel und gerade, von Menschenhand geschaffene Linien. Mich sprechen fließende, sinnliche Kurven an. Kurven wie die Hügel meines Landes, der Windungen seiner Flüsse, der Wellen des Ozeans oder des Körpers einer geliebten Frau.“ (Oscar Niemeyer)1