“Hinter jeder Sprache verbirgt sich eine ganz einzigartige Welt.” – So das Kredo des chinesischen Mönchs und Übersetzers Kumarajiva. Die Aufgabe des Übersetzers sei es, das Fenster zu dieser Welt zu öffnen.
Pagode als Denkmal
In der chinesischen Stadt Wuwei wurde dem berühmten Gelehrten, der von 343 bis 413 lebte und viele religiöse Schriften aus dem Sanskrit ins Chinesische übersetzte, ein ganz besonderes Denkmal gebaut – eine 32 m hohe, achteckige Pagode. Auf dieses kleine Juwel stieß ich bei der Übersetzung eines Reiseführers.
Kumarajiva und Hieronymus – zwei Zeitgenossen
Bemerkenswert ist auch, dass als herausragende Qualität von Kumarajivas Übersetzungen nicht die rein wörtliche Übertragung des Inhalts hervorgehoben wird, sondern sein Einfühlen in den Inhalt und die spirituellen Aussagen – eine große Parallele zu dem fast zeitgleich lebenden Mönch der westlichen Kultur und Bibelübersetzer, dem Schutzpatron der Übersetzer Hieronymus, der von 347 bis 420 lebte.
Unterschiedliche Arbeitsweisen
In einem unterschieden sich die beiden großen Übersetzer jedoch, während Hieronymus vielfach als Einsiedler in der Wüste übersetzte, diskutierte Kumarajiva die Inhalte der zu übersetzenden Sutras ausgiebig mit anderen Mönchen und schrieb erst danach seine Übersetzungen nieder.
Waren es also damals primär geistlich-religiöse Texte, die übersetzt wurden, so übersetzen wir heute in der Regel Texte für die Wirtschaft und Industrie. Ob uns wohl dafür jemals ein Denkmal gebaut werden wird?